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ERDKINDER: Wenn Lernen lebendig wird

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ERDKINDER: Wenn Lernen lebendig wird


Das System, in dem ich gross geworden bin, tut sich bis heute schwer, mich zu begreifen. Als hochsensibler und neurodiverser Mensch war ich schon früh zu schnell überwältigt, zu tief betroffen, zu leise für die Lauten und zu laut für die Stillen. Ich konnte vieles begreifen, aber selten das, was man von mir verlangte zu verstehen. Meine Kinder erleben Ähnliches. Deshalb begann ich früh damit, andere Wege zu suchen. Wege, die nicht gegen die Natur des Kindes arbeiten, sondern mit ihr.


Viele Jahre habe ich alternative pädagogische Konzepte studiert, besonders jene von Maria Montessori und Rudolf Steiner, nicht als Dogma, sondern aus einem inneren Drang heraus, das Lernen in seiner Tiefe zu begreifen. Immer wieder staunte ich darüber, wie präzise diese beiden Menschen das Wesen des Kindes beschrieben haben. Wie Lernen entsteht, wenn Hände denken dürfen und wenn die Welt nicht Theorie ist, sondern Berührung, Rhythmus und Verantwortung.

2017 durfte ich für die Montessori Erdkinder Schweiz Stiftung ein Oberstufen-Curriculum mitgestalten. Es wurde sorgfältig entwickelt, fachlich abgesichert, kantonal kompatibel. Aus Mangel an ökonomischer Energie und politischem Willen wurde es nicht umgesetzt. Vielleicht war die Zeit noch nicht reif. Vielleicht fehlte der Mut. Vielleicht war die Politik zu unentschlossen, wie so oft, wenn es um Bildung geht. Schulleitende und Lehrpersonen rufen seit Jahren nach Transformation, doch der politische Prozess bewegt sich träge.

Die Schweiz ist in vielem innovativ. Aber wenn es um unsere Kinder geht, verharren wir in alten Bildern. Unser heutiges Schulsystem stammt aus einer Zeit, in der Kinder auf das Leben in Fabriken vorbereitet werden sollten. Gleichschritt, Normen, Standardisierung. Das war der Auftrag des 19. Jahrhunderts, nicht der Zukunft. Und gerade in der Schweiz, in einem Land, in dem man sich so frei wie kaum irgendwo sonst den Rahmen selbst gestalten kann, wirkt diese Starrheit besonders fremd.

Heute führen Kinder und Jugendliche ein Leben, das viel komplexer, vernetzter und zugleich verletzlicher ist als je zuvor. Sie brauchen Räume, die nicht enger, sondern weiter werden. Sie brauchen Orte, an denen sie nicht funktionieren müssen, sondern sich entfalten dürfen. Orte, an denen sie mit ihrer ganzen Wahrnehmungsfülle, sensibel, neurodivers, eigenwillig, willkommen sind.

Ein eigener Ort und die Erkenntnis, dass es viel mehr braucht

Vor einigen Jahren durfte ich selbst einen landwirtschaftlichen Raum zum Hüten übernehmen. Einen lebendigen, atmenden Ort. Ich begann, kleine Bildungsimpulse einzuflechten. Einen Waldgarten, der Zeit vermittelt. Tiere, die Beziehung schaffen. Ein Raum, der Stille lehrt. Arbeit, die Sinn macht. Kleine Erdkinder Momente, wie feine Akkupunkturnadeln im Boden einer grossen Kulturlandschaft.

Mehr und mehr entstehen solche Orte, auf dem Glück-Hof in Baden, bei den Knechtles im Appenzell und an vielen weiteren stillen Stellen der Schweiz.

Doch klar ist: Einzelne Höfe reichen nicht. Wir brauchen eine wirkliche Erdkinder-Welle. Eine Bewegung, die Kindern ermöglicht, das Lernen wieder zu begreifen und nicht nur zu verstehen. Eine Struktur, die Schulen entlastet, statt sie zu belehren. Eine Möglichkeit, das Curriculum in die reale Welt zu holen, ohne das konventionelle System zu bekämpfen.

Deshalb habe ich mich mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Organisationen zusammengesetzt und ein Modell entwickelt, das flächendeckend tragfähig ist und politisch anschlussfähig bleibt. Ein Modell, das dort ansetzt, wo Schulen und insbesondere Lehrpersonen an ihre Grenzen stossen.

ERDKINDER: Lernen im lebendigen Raum

ERDKINDER verlegt Bildung dorthin, wo sie entsteht: in die Landschaft, in die Kreisläufe, in die Rhythmen, in das echte Tun. Das öffentliche Curriculum wird nicht ersetzt, sondern in Handlung übersetzt. Mathematik im Messen und Planen. Sprache im Beobachten und Beschreiben. Natur und Technik im Boden, im Wasser, im Wetter. Sozialkompetenz im gemeinsamen Arbeiten. Verantwortung im Umgang mit Tieren und Pflanzen.

Das Modell ist modular aufgebaut. Kurze Besuche. Ganze Tage. Wochenprogramme. Und schliesslich ein ganzes Semester ausserhalb des Klassenzimmers. Jeder Hof, egal ob mit Gemüse, Wald, Beeren, Tieren oder Handwerk, kann Teil davon werden. Entscheidend ist nicht die Produktion, sondern die Lebendigkeit.

Und Lebendigkeit findet sich überall.

Auf einem Gemüsehof lernen Kinder, wie aus Samen Nahrung wird. Sie halten in den Händen, was sie später essen, und begreifen zum ersten Mal, dass Wachstum nicht aus dem Regal kommt, sondern aus Erde, Wasser und Geduld. Sie rechnen Reihenabstände und Erntemengen, ohne es zu merken.

In einem Waldstück wird Biologie plötzlich fühlbar. Kinder knien im Laub, heben eine Handvoll Erde hoch und sehen eine eigene Stadt aus Pilzen, Wurzeln und Insekten. Natur und Technik wird zu einem atmenden Organismus, nicht zu einer Abbildung.

Auf einem Agroforstbetrieb erleben Jugendliche, wie Landschaft gestaltet wird. Sie messen Gefälle, planen Wasserrückhalt und bauen kleine Terrassen. Was in der Schule als trockener Stoff erscheint, wird hier zu einem Puzzle, das sie mit ihren Händen lösen.

Auf Höfen mit Tieren entsteht ein sozialer Raum, der keine künstlichen Rollenspiele braucht. Ein Kind, das sonst still ist, übernimmt plötzlich die Führung beim Füttern. Ein anderes lernt, sich zurückzunehmen, weil Tiere auf laute Bewegungen reagieren. Sozialkompetenz entsteht nicht am runden Tisch, sondern im echten Gegenüber.

Beim Handwerk im Hofatelier mit Holz, Lehm, Metall und Reparaturen erleben Jugendliche Selbstwirksamkeit, die sie zuvor kaum kannten. Es ist etwas anderes, einen Werkzeugkasten in der Theorie zu besprechen, als selbst etwas zu reparieren und am Ende zu sehen, dass es jetzt funktioniert, weil sie es gemacht haben.

Auf einem Beerenhof oder in einer kleinen Verarbeitungsstube kommen Ernährung und Mathematik zusammen. Mengen und Gewichte. Haltbarkeit und Hygiene. Etiketten und Kreisläufe. Ein Tag in der Verarbeitung vermittelt mehr Gesundheitskompetenz als ein Monat im Klassenraum.

Und auf Höfen mit Waldgärten, Permakulturflächen oder extensiven Weiden lernen Kinder, dass Ökologie nicht moralisch ist, sondern faszinierend. Sie entdecken Zusammenhänge, spüren Rhythmen, erleben Jahreszeiten als Werkstatt.

Diese Orte öffnen sich nicht nur für Kinder, die gut funktionieren, sondern gerade für jene, die im konventionellen Schulraum an Grenzen stossen. Neurodiverse Kinder, fein wahrnehmende Jugendliche, hochsensible Persönlichkeiten. Was im Klassenzimmer als zu viel erscheint, zu viel Bewegung, zu viel Gefühl, zu viel Eigenwille, wird hier zur Ressource.

ERDKINDER schafft Lernräume, in denen jedes Kind seinen Platz finden kann. Nicht indem es klein gemacht wird, sondern indem die Welt grösser wird.

Was für die Kinder entsteht und was im Hintergrund getragen werden muss

Damit dieses Modell funktioniert, braucht es eine gemeinnützige Struktur, pädagogische Fachpersonen, Inklusionsbegleitung, regionale Koordinatorinnen, Sicherheitskonzepte, Material, Weiterbildungen. Und eine stabile Organisation, die Höfe wie Schulen unterstützt. Ein Semester auf einem Hof braucht Zeit, Präsenz und professionelle Begleitung. Es ist weit mehr, als ein Betrieb allein leisten kann.

Für den Aufbau solcher professionellen Strukturen braucht es eine solide Finanzierung. Ein gemeinnütziger ERDKINDER Fonds soll diese Aufgabe übernehmen. Er trägt die Kosten, damit Schulen frei entscheiden können. Kein Kind, keine Klasse, keine Schule soll vom Budget abhängen.

Im Hintergrund braucht es eine Aufbauphase von mehreren Hunderttausend Franken und danach einen jährlichen Betrieb, der sich nahe an zwei Millionen bewegt, je nachdem wie viele Höfe und wie viele Kinder teilnehmen. Das ist viel und zugleich wenig, wenn man bedenkt, wie tiefgreifend solche Lernräume wirken. Ein einziger Semesterhof verändert Leben und das über Generationen hinweg.

Die Schweiz hat alle Voraussetzungen – wir müssen sie nur nutzen

Kaum ein Land hat so viel Freiraum zur eigenen Gestaltung wie die Schweiz. Wir könnten diese Räume nutzen, um Bildung neu zu denken. Nicht als Bruch, sondern als Erweiterung. Schulen rufen danach, Lehrpersonen wünschen sich es, Kinder brauchen es. Doch die Politik bleibt langsam, zaudernd, überfordert. Wenn wir warten, verlieren wir eine weitere Generation an Lärm, Stress, Entfremdung und Überforderung.

Es liegt also an uns. An jenen, die Verantwortung übernehmen wollen und können. An jenen, die Entwicklungsräume kennen. An jenen, die begreifen, dass Bildung keine Ausgabe ist, sondern Kulturarbeit.

Wenn du Stiftungsvorstand bist, Unternehmerin, Vermögensverwalter, Förderer oder jemand, der im Stillen etwas Grosses bewegen möchte, lade ich dich ein, Teil dieser Aufbauarbeit zu werden. Der ERDKINDER Fonds soll nicht punktuell wirken, sondern strukturell. Er soll Lernräume schaffen, die Kindern ermöglichen, wieder in Beziehung zu sich selbst zu treten, zur Natur und zu anderen Menschen.

Ich freue mich über jede Kontaktaufnahme. Lassen wir gemeinsam zu, dass Kinder das Lebendige wieder begreifen dürfen! 


Kai Isemann

Mein Wahrnehmen folgt einer unkonventionellen kognitiven Architektur, die Muster früh erkennt und Zwischenräume ernst nimmt. Dieser Blick hat mich viele Jahre durch die Welt der Grossfinanz getragen. Dort wurde er zum Brennglas und ich begriff, wo Geld entsteht, wie es sich bewegt und wen es zurücklässt. Eine Einsicht, zugleich präzise und schmerzhaft.

Heute verbinde ich dieses Begreifen mit der Arbeit im Lebendigen. Die Bewirtschaftung eines syntropischen Agroforsts gibt meinen Analysen und Projekten Boden. Die Triple Bottom Line Methodik hält sie im Gleichgewicht von Ökologie, Gesellschaft und Wirtschaft, damit Entwicklung dort entsteht, wo gesundes Leben sie trägt.


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Co-Leadership gesucht: Für Menschen mit Haltung und Unternehmergeist

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Co-Leadership gesucht: Für Menschen mit Haltung und Unternehmergeist

Es gibt Aufgaben, die grösser sind als eine Funktion. Die Verantwortung, die hier zu besetzen gilt, gehört bestimmt dazu.

Die RegioWert Treuhand AG ist kein gewöhnliches Unternehmen. Sie ist ein Bauwerk im Werden, eine Infrastruktur für eine Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft, die Verantwortung übernimmt und ihre Leistungen sichtbar macht. Damit dieses Vorhaben weiter wachsen kann, wollen wir uns von einer Persönlichkeit finden lassen, die Lust hat, mitzusteuern.

Ich bin Gründer und Verwaltungsrat, und wer diese Rolle übernimmt, wird eng mit mir arbeiten. Das braucht eine gewisse Freude an Neurodiversität, an Tempo und Tiefe. Und es braucht den Wunsch, gemeinsam etwas zu schaffen, das uns alle überdauert. 

Wichtig ist mir dabei nicht ein perfekter Lebenslauf, sondern eine gesunde innere Haltung, unternehmerischer Geist, Gestaltungswille, Souveränität im Umgang mit Vielfalt und die Fähigkeit, in politischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Räumen Resonanz zu erzeugen. 

Wenn dich diese Reise anspricht und du dir vorstellen kannst, an einem Projekt mitzuwirken, das weit über eine klassische Führungsaufgabe hinausgeht, dann freuen wir uns darauf, dich kennenzulernen. 

Das vollständige Inserat findest du unten. 

Kai Isemann und Stefan Oppliger (Co-Geschäftsführer)


Kai Isemann

Mein Wahrnehmen folgt einer unkonventionellen kognitiven Architektur, die Muster früh erkennt und Zwischenräume ernst nimmt. Dieser Blick hat mich viele Jahre durch die Welt der Grossfinanz getragen. Dort wurde er zum Brennglas und ich begriff, wo Geld entsteht, wie es sich bewegt und wen es zurücklässt. Eine Einsicht, zugleich präzise und schmerzhaft.

Heute verbinde ich dieses Begreifen mit der Arbeit im Lebendigen. Die Bewirtschaftung eines syntropischen Agroforsts gibt meinen Analysen und Projekten Boden. Die Triple Bottom Line Methodik hält sie im Gleichgewicht von Ökologie, Gesellschaft und Wirtschaft, damit Entwicklung dort entsteht, wo gesundes Leben sie trägt.


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Gemeinwohl ökonomisch übersetzt: Neue Modelle zur Honorierung agrarischer Leistungen

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Gemeinwohl ökonomisch übersetzt: Neue Modelle zur Honorierung agrarischer Leistungen


Die Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft wird meist als ökologische geführt, doch im Kern ist sie eine wirtschaftliche. Denn wie fast alles in unserer Gesellschaft folgt auch sie dem ökonomischen Glaubensmuster, das festlegt, was zählt und was unsichtbar bleibt. Kilian Greter (Dozent LBBZ Schluechthof Cham) beschreibt es mit einem einfachen Bild: Es gibt einen sichtbaren Baum und einen, der im Schatten steht.


Ökologische und soziale Leistungen sind längst Gemeinwohlleistungen. Landwirte erbringen sie täglich. Sie pflegen Böden, erhalten Artenvielfalt, sichern Versorgung und soziale Strukturen auf dem Land. Doch all das findet in keiner Bilanz statt. Die Landwirtschaft schafft Werte, die unser Wirtschaftssystem nicht als solche erkennt. Gemeinwohl gehört in die Buchhaltung! Solange es dort fehlt, bleibt es unsichtbar und unsichtbare Leistungen werden nicht entlöhnt.

Wenn Landwirtschaft Verantwortung übernimmt, für Böden, Biodiversität, soziale Integration oder regionale Versorgung, schafft sie Werte, die bisher in keiner Bilanz erscheinen. Um das zu ändern, braucht es neue Finanzprodukte für das Gemeinwohl.

Der Auftrag

Wir müssen die erbrachten Leistungen sichtbar und inwertsetzbar machen, damit die Finanzwelt sie versteht und bewerten kann. Und wir müssen Akteure aus Landwirtschaft und Finanzwirtschaft an einen Tisch bringen, um diese Produkte gemeinsam zu entwickeln.

Nur so entstehen Instrumente, die tatsächlich wirken, statt gut gemeinte Konstrukte, die an der Realität vorbeigehen.

Die RegioWert Treuhand AG baut genau diese Brücke. Sie zeigt auf, wie Gemeinwohlleistungen gemessen und bewertet werden können und entwickelt parallel die Schnittstellen, über die Kapital künftig gezielt in überprüfbare Leistungen fliessen kann.

Verschiedene Kapitalquellen, ein gemeinsames Ziel

Die Finanzierung des Gemeinwohls wird nicht von einer Seite kommen, sondern aus mehreren Richtungen. Entscheidend ist, diese Ströme zu strukturieren und sie in ein verlässliches System zu überführen.

Private Vermögende

Viele vermögende Menschen handeln aus Überzeugung; schnell, direkt und mit einem klaren Sinn für Verantwortung. Sie sind oft der erste Hebel, um neue Modelle in Gang zu setzen.

Family Offices

Family Offices denken generationenübergreifend und suchen nach Investitionen, die ökologischen, sozialen und ökonomischen Nutzen vereinen. Für sie ist das Gemeinwohl kein Spendenzweck, sondern eine stabile Anlageklasse mit realem Gegenwert.

Stiftungen

Stiftungen erkennen zunehmend, dass Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität und soziale Kohäsion zentrale Pfeiler der gesellschaftlichen Stabilität sind. Sie brauchen überprüfbare Instrumente, um ihre Mittel gezielt einzusetzen.

Verwaltung

Die öffentliche Hand steht unter Druck, Wirkung nachzuweisen und Fördermittel effizient einzusetzen. Mit Leistungsnachweisen aus AgriMetrix kann sie gezielt jene Betriebe unterstützen, die nachweislich ökologische und soziale Mehrwerte schaffen. Die Stadt Neumarkt (D) zeigt, dass dies funktioniert: Dort werden Gemeinwohlleistungen landwirtschaftlicher Betriebe direkt vergütet. Ein Modell mit Signalwirkung.

Wirtschaft

Unternehmen erkennen zunehmend, dass Nachhaltigkeit Teil ihrer Wertschöpfung ist. Der Handel kann über gezielte Aufschläge oder Lieferkettenanreize reale Leistungen fördern, wie beispeilsweise Lammsbräu, das Gemeinwohlkennzahlen aktiv in seine Partnerstrukturen integriert. So wird Verantwortung ökonomisch abbildbar, anstatt in Versprechen ausgelagert zu bleiben.

Unsere Lösungsansätze

Um diese Kapitalquellen zu verbinden und in die reale Landwirtschaft zu leiten, entwickelt die RegioWert Treuhand AG gemeinsam mit Partnern mehrere sich ergänzende Instrumente:

RegioWert AGs

Regionale Aktiengesellschaften in Verantwortungseigentum, die Bürgerkapital, institutionelles Kapital und Stiftungsmittel bündeln. Sie investieren in Betriebe, Wertschöpfungsketten und regionale Infrastrukturen und machen damit Gemeinwohl zu einer betriebswirtschaftlichen Grösse.

RegioCoin

Der RegioCoin ist ein Impact Reward System und ermöglicht die direkte Vergütung von nachgewiesenen Gemeinwohlleistungen. Unternehmen, Stiftungen oder Verwaltungen können damit Verantwortung übernehmen, indem sie reale Leistungen entlohnen; transparent, überprüfbar und regional rückgekoppelt.

Bodenfruchtbarkeitsfonds

Gemeinsam mit der Bio-Stiftung Schweiz wurde ein funktionierendes Modell geschaffen, das Landwirte für den Aufbau gesunder Böden honoriert. Es gilt als Proof of Concept, dass Gemeinwohlleistungen messbar und vergütbar sind. Jetzt braucht es Strukturen, um dieses Prinzip in grösserem Massstab umzusetzen.

Gemeinwohlstadt/-region

Nach dem Vorbild der „Klimastadt“-Initiative soll eine Akkreditierung entstehen, die Gemeinden und Regionen auszeichnet, die den Gemeinwohlgedanken in Planung, Beschaffung und Wirtschaftsförderung verankern. Es schafft Sichtbarkeit und Orientierung für Verwaltung, Unternehmen und Bürgerinnen gleichermassen und macht erkennbar, wo Verantwortung bereits systematisch gelebt wird.

Eine neue Logik des Wirtschaftens

Das alte System fragte: Was kostet es? Das neue fragt: Was leistet es und für wen?

Mit AgriMetrix steht erstmals ein System zur Verfügung, das diese Leistungen ökologisch, sozial und regionalökonomisch messbar machrt. Es schafft die Datengrundlage, um Kapitalflüsse an reale Werte zu koppeln. Die RegioWert Treuhand AG versteht sich als Navigatorin dieser Transformation, zwischen Landwirtschaft und Finanzwelt, zwischen Verantwortung und Rendite. Sie baut die Struktur, die nötig ist, um Gemeinwohl in ökonomische Sprache zu übersetzen, ohne seinen Sinn zu verlieren.

Ausblick

Die kommenden Monate bieten Gelegenheit, diese Diskussion öffentlich weiterzuführen und konkrete Kooperationen aufzubauen:

11.11.2025 | SwissFoodResearch | bbzn Schüpfheim (CH)

Es tagt die Innovationsgruppe Zukunftsgerichtete Landwirtschaft mit dem Fokus: Kosten, Leistung, Wirkung. Wie entsteht Wert in der Landwirtschaft?

17.11.2025 | Strategic Impact Reflection Circle | Bern (CH)

«Die Kraft von neuen Narrativen» Wie können wir Suffizienz neu besetzen, Vorstellungskraft fördern und gemeinsam Zukünfte erzählen, die zum Handeln einladen?

04.12.2025 | innovate! zukunftsdialog | Osnabrück (D)

AgriMetrix auf internationaler Bühne: Gemeinwohlfinanzierung als Bestandteil von Impact-Systemen.

20.01.2026 | Entwicklungskonferenz Wirkungskapital | Rüschlikon (CH)

Von der Messung über die Finanzierung bis zur Vergütung. Wie lassen sich Gemeinwohlleistungen strukturell in Wirtschaft und Verwaltung integrieren?

25.01.2026 | Basel Peace Forum | Basel (CH)

Wie kann territoriale Resilienz, also die Fähigkeit von Regionen, ökologische, soziale und ökonomische Stabilität miteinander zu verbinden zu einer Grundlage gesellschaftlichen Friedens werden?

Vom Schatten ins Licht

Es geht nicht darum, neue Subventionen zu erfinden, sondern darum, eine verlässliche Schnittstelle zwischen Leistung und Kapital zu schaffen. Die Landwirtschaft erbringt Gemeinwohlleistungen längst. Jetzt braucht sie Strukturen, die sie dafür entlohnen; fair, nachvollziehbar und dauerhaft. Oder, um noch einmal das Bild von Kilian Greter aufzugreifen: Es gibt einen sichtbaren Baum und einen im Schatten. Unsere Aufgabe ist es, den Schattigen kleiner zu machen und den sichtbaren grösser.


Kai Isemann

Mein Wahrnehmen folgt einer unkonventionellen kognitiven Architektur, die Muster früh erkennt und Zwischenräume ernst nimmt. Dieser Blick hat mich viele Jahre durch die Welt der Grossfinanz getragen. Dort wurde er zum Brennglas und ich begriff, wo Geld entsteht, wie es sich bewegt und wen es zurücklässt. Eine Einsicht, zugleich präzise und schmerzhaft.

Heute verbinde ich dieses Begreifen mit der Arbeit im Lebendigen. Die Bewirtschaftung eines syntropischen Agroforsts gibt meinen Analysen und Projekten Boden. Die Triple Bottom Line Methodik hält sie im Gleichgewicht von Ökologie, Gesellschaft und Wirtschaft, damit Entwicklung dort entsteht, wo gesundes Leben sie trägt.


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Von der Kunst richtig zu rechnen

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Von der Kunst richtig zu rechnen


Kaum ein Begriff wird heute so häufig verwendet – und so unterschiedlich verstanden – wie Nachhaltigkeit. Zwischen Wirkungsmessung, True-Cost-Bewertungen und Leistungsnachweisen konkurrieren methodische Ansätze darum, ökologische und soziale Verantwortung in Zahlen zu fassen. Doch während die einen über Wirkungen (Impacts) sprechen und andere über wahre Kosten, rückt ein dritter Begriff zunehmend ins Zentrum: Leistung.


Leistung beschreibt nicht, was ein System hervorbringt, sondern was ein Betrieb aktiv beiträgt, um die Funktionsfähigkeit der natürlichen, sozialen und regionalökonomischen Systeme zu erhalten. Diese Unterscheidung ist entscheidend. Denn Wirkung entsteht immer aus einer vorhergehenden Leistung und nie umgekehrt. Wer Verantwortung übernehmen will, muss dort ansetzen, wo Entscheidungen getroffen und Massnahmen umgesetzt werden: im Betrieb selbst.

Drei Begriffe, drei Denkrichtungen

Leistung, Wirkung und wahre Kosten beschreiben drei komplementäre, aber klar unterscheidbare Betrachtungsweisen.

Leistung steht für das bewusste Handeln eines Unternehmens: die Massnahme, die Qualität der Bewirtschaftung, das aktive Tun oder Unterlassen. Eine Hecke pflanzen, Humus aufbauen, faire Löhne zahlen, regionale Wertschöpfung sichern. All das sind Leistungen. Sie sind sichtbar, steuerbar und überprüfbar.

Wirkung (Impact) bezeichnet die Folgen dieser Handlungen auf die Ökosysteme und Gemeingüter; die tatsächliche Veränderung im Wasserhaushalt, in der Biodiversität, in der Bodenfruchtbarkeit oder im sozialen Gefüge. Wirkungen lassen sich messen, meist allerdings erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung und immer im Zusammenspiel vieler Faktoren.

Wahre Kosten (True Costs) schliesslich versuchen, die ökologischen und sozialen Folgekosten in Geld zu übersetzen, also den Preis eines Produkts so zu erweitern, dass auch die Schäden oder Nutzen für Umwelt und Gesellschaft sichtbar werden. Sie schärfen das Bewusstsein, bleiben aber reaktiv: Sie zeigen an, was bereits geschehen ist, nicht was geschehen sollte.

Warum Leistung der Schlüssel ist

Der entscheidende Unterschied liegt in der Steuerbarkeit. Wirkungen und Kosten sind Resultate. Sie zeigen das, was war. Leistung hingegen beschreibt das, was ist und konkret getan werden kann. Damit ist sie der eigentliche Hebel für Transformation.

Der deutsche Gärtner, Unternehmer und Autor Christian Hiß, Gewinner des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, hat diesen Gedanken bereits 2011 wissenschaftlich ausgearbeitet und 2015 in seinem Buch „Richtig Rechnen – Durch die Reform der Finanzbuchhaltung zur ökologisch-ökonomischen Wende“ formuliert:

«Richtig rechnen heisst, Verantwortung in unternehmerische Zahlen übersetzen.»

Was als Pioniergedanke begann, hat sich mit der von ihm entwickelten Regionalwert Leistungsrechnung (heute AgriMetrix) zu einer international anerkannten Methode entwickelt. Sie erfasst die betriebliche Leistung als Grundlage einer neuen Bewertung von Unternehmenserfolg. Rund 400 Indikatoren machen sichtbar, welche Massnahmen ein Betrieb ergreift, um ökologische, soziale und regionale Gemeingüter zu erhalten oder zu stärken.

Die Wirkung entfaltet sich daraus, aber sie ist nicht der Ausgangspunkt der Betrachtung. Denn Wirkung lässt sich kaum einem einzelnen Betrieb zuordnen. Ob sich die Insektenpopulation erholt, hängt nicht nur vom Blühstreifen eines Landwirts ab, sondern auch von seinen Nachbarn, vom Landschaftsraum, vom Klima, von Verkehrs- und Siedlungsentwicklung. Leistung dagegen ist betriebsindividuell nachvollziehbar. Sie zeigt, wer Verantwortung übernimmt und wer nicht.

Von der Verantwortung zum Anreiz

Diese Verschiebung von der reaktiven zur proaktiven Perspektive hat weitreichende Folgen. Sie bedeutet, dass Verantwortung nicht über Schuld, sondern über Beitrag definiert wird. Statt Schäden zu sanktionieren, werden Beiträge zur Erhaltung gemeinsamer Lebensgrundlagen honoriert.

Das war von Beginn an der Grundgedanke der Regionalwert-Bewegung, die Hiß ab den 1990er-Jahren geprägt hat. Die Gesellschaft kann Landwirten nicht vorwerfen, Schäden zu verursachen, solange der Markt jene belohnt, die am billigsten produzieren. Wenn der Markt die Leistungen zur Erhaltung von Boden, Wasser und sozialer Strukturen nicht vergütet, darf man sich über deren Verlust nicht wundern. Die Lösung liegt nicht in Strafe oder Regulierung, sondern im fairen Anreiz: Wer Leistungen für das Gemeinwohl erbringt, soll dafür bezahlt werden.

Wirkung braucht Leistung – und Kontinuität

Eine einmalige Leistung kann eine Wirkung auslösen, aber nachhaltige Wirkung entsteht nur durch kontinuierliche Leistung. Deshalb misst AgriMetrix nicht punktuell, sondern regelmässig. Jährlich erhobene Daten zeigen, ob ein Betrieb seine Leistungen stabil hält, verbessert oder verliert. Über die Zeit lassen sich daraus Wirkungsentwicklungen ableiten – evidenzbasiert, ohne Spekulation.

Diese Dynamik gleicht einem Herzschlag. Jede Leistung ist ein Puls, jede Datenerhebung ein EKG der Resilienz. So entsteht nicht nur ein Bild des Zustands, sondern ein lebendiges Verständnis von Entwicklung. Das ist mehr als Nachhaltigkeitsberichterstattung. Es ist Steuerungswissen.

Die Grenzen der Wirkungslogik

Die auf „Impact“ ausgerichteten Modelle, wie sie heute von Politik, Fonds und CSR-Programmen favorisiert werden, leiden an einer systemischen Schwäche. Sie setzen erst an, wenn die Wirkung sichtbar ist, oft Jahre später. Bis dahin sind Investitionen, Förderungen und Lenkungsmechanismen bereits gelaufen. Zudem benachteiligen sie jene Betriebe, die ihre Systeme durch getätigte Investitionen längst stabilisiert haben.. Wer bereits einen guten Zustand erreicht hat, kann keine „zusätzliche Wirkung“ mehr nachweisen.

Das Leistungsprinzip dagegen erkennt die bestehende Qualität an. Es sagt: Auch das Halten eines guten Zustands ist eine Leistung. Gerade in der Landwirtschaft ist Erhaltung oft die grösste Anstrengung und verdient entsprechend Anerkennung.

Die Grenzen der Kostenlogik

Ebenso verkürzt ist der Fokus auf die „wahren Kosten“. Die Berechnung der ökologischen und sozialen Folgekosten (so wichtig sie für das Bewusstsein ist) bleibt analytisch. Sie zeigt Missstände, aber sie ändert sie nicht. Zudem ist sie in der Praxis schwer zu operationalisieren. Wer bestimmt, welchen Preis ein Schmetterling, eine Grundwasserquelle oder ein lokales Wissen hat?

Die Kostenlogik bleibt damit ein Spiegel der alten Welt. Sie rechnet nach, anstatt vorzudenken. Verantwortung wird nicht übernommen, sondern bilanziert. Das aber reicht nicht, um Systeme zu wandeln. Denn Verantwortung entsteht nicht aus Kalkulation, sondern aus Handlung.

Leistung als Brücke zwischen Ethik und Ökonomie

Mit dem Begriff Leistung lässt sich diese Trennung überwinden. Er verbindet das Handeln der Betriebe mit dem Wert der Gemeingüter und schafft Anschluss an die Sprache der Betriebswirtschaft. Denn eine Leistung ist immer auch ein betriebswirtschaftlicher Vorgang. Sie kostet Zeit, Material, Fläche, Wissen, und sie erzeugt damit Aufwand, der bilanziert werden kann.

Genau hier setzt AgriMetrix an. Indem es diese Aufwände in Zahlen und Preise übersetzt und mit marktfähigen Bewertungsmodellen verknüpft, schafft es eine neue Form von Transparenz. Unternehmenserfolg wird nicht länger nur an Rendite, sondern an Verantwortung gemessen. Nachhaltigkeit wird damit buchhalterisch greifbar und zur Grundlage einer neuen Wirtschaftsethik.

Ein neuer Bewertungsrahmen

Der methodische Fortschritt liegt also nicht in der Erfindung neuer Indikatoren, sondern in ihrer Integration in die reale Erfolgsrechnung. Erst wenn Nachhaltigkeitsleistungen Teil der Betriebsbuchhaltung werden, kann sich Wirtschaft wirklich verändern.

So wie die Finanzbuchhaltung das Fundament der industriellen Wirtschaft war, muss die Leistungsbuchhaltung das Fundament einer regenerativen Wirtschaft werden. Sie erlaubt, externe Effekte zu internalisieren, ohne das System zu sprengen, sondern es weiterzuentwickeln.

AgriMetrix bietet dafür eine praxiserprobte Systematik. Sie ordnet rund 400 betriebliche Leistungen in ökologische, soziale und regionalökonomische Dimensionen ein, bewertet sie qualitativ und monetär, und erlaubt damit sowohl Vergleich als auch Steuerung. Es ist keine Ideologie, sondern ein Instrument, anschlussfähig an jede Buchhaltung, kompatibel mit jeder Betriebsform, offen für jeden Dialog.

Ein anderer Blick auf Erfolg

Wenn Leistung zum neuen Massstab wird, verändert sich der Begriff von Erfolg. Nicht mehr der günstigste Preis, sondern die grösste Verantwortung zählt. Nicht mehr das Maximum, sondern das Gleichgewicht.

Das ist kein Rückschritt, sondern eine Reifung der Ökonomie, weg vom Verbrauch, hin zum Erhalt. Wer Leistungen erfasst, fördert und vergütet, schafft die Grundlage für Resilienz, im Betrieb wie im gesamten Wirtschaftssystem. Denn Wirkung entsteht nicht aus der Analyse von Schäden, sondern aus der Summe der richtigen Handlungen.


Kai Isemann

Mein Wahrnehmen folgt einer unkonventionellen kognitiven Architektur, die Muster früh erkennt und Zwischenräume ernst nimmt. Dieser Blick hat mich viele Jahre durch die Welt der Grossfinanz getragen. Dort wurde er zum Brennglas und ich begriff, wo Geld entsteht, wie es sich bewegt und wen es zurücklässt. Eine Einsicht, zugleich präzise und schmerzhaft.

Heute verbinde ich dieses Begreifen mit der Arbeit im Lebendigen. Die Bewirtschaftung eines syntropischen Agroforsts gibt meinen Analysen und Projekten Boden. Die Triple Bottom Line Methodik hält sie im Gleichgewicht von Ökologie, Gesellschaft und Wirtschaft, damit Entwicklung dort entsteht, wo gesundes Leben sie trägt.


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Verantwortungseigentum: Wirtschaft neu denken – mit Haltung

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Verantwortungseigentum: Wirtschaft neu denken – mit Haltung


Unternehmen prägen unsere Gesellschaft weit über Produkte und Dienstleistungen hinaus. Sie beeinflussen, wie wir arbeiten, wie wir konsumieren, wie Ressourcen genutzt werden; und letztlich, wie resilient unsere Wirtschaft ist. Doch wenn Gewinnmaximierung und kurzfristige Interessen zum alleinigen Massstab werden, gerät Verantwortung ins Hintertreffen. Verantwortungseigentum setzt hier an: Es schafft Strukturen, in denen Unternehmen sich selbst gehören, Gewinne dem Zweck dienen und Eigentum nicht zum Spekulationsobjekt wird. Ein Modell, das weltweit erprobt wird und nun auch in der Schweiz an Bedeutung gewinnt.


Wem gehört ein Unternehmen? 

Wem gehört eigentlich ein Unternehmen? Diese scheinbar einfache Frage führt mitten ins Herz unserer Wirtschaftsordnung. Traditionell gilt: Wer das Kapital stellt, hat das Sagen. Eigentum bedeutet Kontrolle, und Kontrolle bedeutet Anspruch auf die Gewinne. Das klingt logisch und ist doch der Kern vieler Probleme. Denn wenn Gewinn und Kontrolle in denselben Händen liegen, rückt das eigentliche Ziel eines Unternehmens leicht in den Hintergrund: die Erfüllung eines Zwecks, die Bereitstellung von Produkten oder Dienstleistungen, die Lösung eines Problems, die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt.

Das Modell des Verantwortungseigentums stellt dieses Grundprinzip infrage. Es sucht nach einem neuen Gleichgewicht zwischen Eigentum und Verantwortung. Die zentrale Idee ist einfach und radikal zugleich: Ein Unternehmen gehört nicht den Anteilseignerinnen und Anteilseignern, sondern sich selbst. Wer das Unternehmen führt, ist Treuhänder auf Zeit und verantwortlich dafür, die Mission weiterzutragen, nicht berechtigt, es zu verkaufen oder Gewinne beliebig abzuschöpfen.

Dieses Modell ist keine theoretische Vision. Es hat historische Wurzeln, wurde über Jahrzehnte in Stiftungsunternehmen wie Bosch oder Zeiss gelebt und erfährt in den letzten Jahren neue Aufmerksamkeit. Unter Begriffen wie Steward-Ownership oder Verantwortungseigentum formiert sich eine internationale Bewegung, die zeigt, dass Unternehmen auch ohne Spekulation, Exit-Strategien und kurzfristigen Shareholder-Value florieren können.

Die Prinzipien des Verantwortungseigentums

Im Kern folgen alle Unternehmen im Verantwortungseigentum vier Prinzipien.

Selbstbestimmung

Kontrolle üben jene aus, die mit dem Zweck verbunden sind – Mitarbeitende, Gründerinnen oder ein Kreis von Treuhändern. Wer Kapital investiert, erhält kein Mitspracherecht über die strategische Ausrichtung. Kapital wird zum dienenden Faktor, nicht zur dominanten Kraft.

Sinnorientierung

Gewinne sind notwendig, um ein Unternehmen stabil zu führen, in die Zukunft zu investieren, Mitarbeitende fair zu entlohnen oder Rücklagen für schwierige Zeiten zu bilden. Aber sie sind nicht Selbstzweck. Gewinne im Verantwortungseigentum sind ein Mittel, um den Zweck zu erfüllen, nicht der Zweck selbst.

Unverkäuflichkeit

Unternehmen können nicht als Spekulationsobjekte veräussert werden. Sie sind dauerhaft an ihren Zweck gebunden. Eigentümerinnen und Eigentümer sehen sich als Hüter, nicht als Besitzer.

Treuhandprinzip

Wer das Unternehmen leitet, hält es nur auf Zeit in Verantwortung. Wie ein Staffelstab wird die Aufgabe weitergegeben, nicht als Vermögensübertragung, sondern als Verpflichtung, die Mission in die nächste Generation zu begleiten. 

Diese Prinzipien greifen ineinander. Zusammen bilden sie einen Schutzraum, der Unternehmen von kurzfristigem Druck befreit und ihnen erlaubt, langfristig und im Sinne des Gemeinwohls zu handeln.

Internationale Beispiele

Dass dies funktioniert, zeigen viele Unternehmen weltweit. Bosch etwa gehört zu über 90 Prozent der Robert Bosch Stiftung. Sie sorgt dafür, dass Gewinne nicht privatisiert, sondern für Forschung, Innovation und gesellschaftliche Projekte eingesetzt werden. Bosch ist damit seit Jahrzehnten unabhängig von Börsenzwängen und bleibt dennoch hochprofitabel. Ähnlich verhält es sich bei Zeiss, wo eine Stiftung Eigentümerin ist und so die langfristige Ausrichtung des Unternehmens sichert.

Ein weiteres prominentes Beispiel ist Novo Nordisk in Dänemark. Der Pharmakonzern gehört mehrheitlich einer Stiftung, die dafür sorgt, dass Gewinne nicht allein den Kapitalmarkt bedienen, sondern in Wissenschaft und Gesellschaft zurückfliessen.

Neuere und dynamischere Fälle zeigen, wie das Modell Start-ups inspiriert. Ecosia, die Berliner Suchmaschine, hat sich durch eine Stiftung unverkäuflich gemacht. Alle Gewinne, die nicht im Unternehmen verbleiben, fliessen in weltweite Aufforstungsprojekte. Damit ist Ecosia ein Musterbeispiel, wie digitale Geschäftsmodelle Verantwortung und Wirkung verbinden können.

Elobau, ein mittelständisches Unternehmen in Deutschland, hat die Umstellung vollzogen und Nachhaltigkeit tief in seine Prozesse eingebettet.

Und dann ist da Patagonia, wohl das bekannteste Beispiel aus den USA. Gründer Yvon Chouinard entschied 2022, die Firma in eine treuhänderische Struktur zu überführen. Die Stimmrechte liegen nun beim Patagonia Purpose Trust, die wirtschaftlichen Rechte beim Holdfast Collective, einer gemeinnützigen Organisation. Damit ist Patagonia de facto unverkäuflich. Sämtliche Gewinne, die nicht für das Unternehmen gebraucht werden, fliessen in den Schutz der Natur.

Diese Beispiele machen deutlich: Verantwortungseigentum funktioniert in grossen Konzernen, im Mittelstand und in Start-ups. Es ist flexibel und universell anwendbar.

Schweizer Pioniere

Auch in der Schweiz gibt es erste Unternehmen, die den Schritt gegangen sind. Crowd Container, ein Zürcher Lebensmittelunternehmen, importiert seit 2022 Produkte direkt von Produzierenden aus dem globalen Süden und dem Mittelmeerraum. Mit der Umstellung auf Verantwortungseigentum haben sie sich unverkäuflich gemacht; Gewinne dürfen nicht privat ausgeschüttet werden, die Kontrolle liegt bei den aktiven Unternehmerinnen und Unternehmern. 

Ein zweites Beispiel ist die Toolbike AG mit ihrer Marke MONoPOLE, die Lastenräder produziert. Von Beginn an wurde sie nach Steward-Ownership-Prinzipien aufgebaut. Kapitalgeberinnen haben finanzielle Beteiligungsrechte, aber keine Kontrolle. Die Entscheidungen treffen jene, die mit der Mission verbunden sind.

Diese beiden Unternehmen sind Vorreiter in der Schweiz. Sie zeigen, dass Verantwortungseigentum auch hierzulande rechtlich möglich und wirtschaftlich tragfähig ist, und sie öffnen die Tür für weitere Nachahmer.

Wissenschaftliche Perspektive

Die Universität St. Gallen untersucht mit dem Projekt OPSY – The Potential of Steward-Ownership in Switzerland, wie dieses Modell im Schweizer Kontext funktioniert. Gefördert durch den Schweizerischen Nationalfonds, geht es nicht nur um theoretische Konzepte, sondern um empirische Forschung.

Die Projektbeschreibung hält fest:

„Unser Forschungsprojekt untersucht die Umsetzbarkeit und Akzeptanz von Steward-Ownership in der Schweiz. Im Zentrum stehen die Perspektiven von Unternehmer:innen und Führungskräften sowie die rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen, die diese Eigentumsform begünstigen oder hemmen.“

Damit wird sichtbar, dass Verantwortungseigentum nicht nur eine idealistische Idee ist, sondern ein Feld wissenschaftlicher Analyse. Die Forschung an einer führenden Wirtschaftsuniversität wie der HSG verleiht dem Modell Legitimität und schafft Grundlagen für politische und rechtliche Entwicklungen.

Parallel dazu analysieren Juristinnen wie Anne Sanders die theoretischen Grundlagen. In ihrer Arbeit Binding Capital to Free Purpose schreibt sie:

„In steward-owned businesses, control is held by stewards who have no entitlement to the business’s profit. Profit therefore becomes a means to achieve the organization’s purpose, rather than an end in itself.“

Diese prägnante Formulierung bringt das Wesen des Verantwortungseigentums auf den Punkt: Gewinn ist nicht Ziel, sondern Werkzeug.

Die Chance für die Schweiz

Die Schweiz ist in besonderer Weise prädestiniert für Verantwortungseigentum. Genossenschaften, Stiftungen und Bürgerbeteiligung sind tief in der Kultur verankert. Unternehmen wie Migros oder Raiffeisen wurden ursprünglich mit einem klaren gesellschaftlichen Auftrag gegründet. Sie verkörperten lange Zeit ein starkes Gegengewicht zur reinen Gewinnorientierung. Doch gerade hier zeigt sich auch die Kehrseite: Mit der Zeit haben sich diese Prinzipien verwässert. Der ursprüngliche Anspruch, der über Jahrzehnte Vertrauen und Stabilität stiftete, ist in Teilen erodiert. Dass beide Organisationen heute mit strategischen und strukturellen Schwierigkeiten kämpfen, ist möglicherweise auch eine Folge davon, dass die Idee der klar gebundenen Verantwortung im Laufe der Zeit verwischt wurde. Verantwortungseigentum schafft hier einen schärferen Rahmen: Es verhindert, dass der ursprüngliche Zweck in Nebel von Kompromissen und Interessenkonflikten verloren geht.

Gerade im Mittelstand, wo die Nachfolgefrage drängender wird, bietet das Modell eine klare Antwort. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer stehen vor dem Dilemma: Soll das Lebenswerk an Investoren verkauft werden, mit der Gefahr, dass Kultur und Identität verloren gehen? Oder gibt es eine Alternative, die sicherstellt, dass der Betrieb unabhängig bleibt und im Sinne seiner Mission weitergeführt wird? Verantwortungseigentum bietet genau diesen Rahmen. Die Übergabe wird nicht zum Ausverkauf, sondern zur Weitergabe einer Verantwortung, die fest im Unternehmenszweck verankert ist. Damit lassen sich Nachfolgeregelungen stabiler und für alle Beteiligten fairer organisieren.

Auch für Investoren eröffnet das Modell neue Chancen. Sie beteiligen sich nicht an einem Spekulationsobjekt, sondern an einem langfristig stabilen System. Ihre Rendite ist zwar begrenzt, aber verlässlich. Mehr noch: Diese langfristige Sichtweise ist das ultimative Risikomanagement. Sie grenzt sich klar von klassischen Anlagen ab, die häufig durch kurzfristige Marktbewegungen, Übernahmespekulationen oder politische Volatilität gefährdet sind. Verantwortungseigentum bedeutet, dass Kapital in Strukturen fliesst, die dauerhaft Bestand haben – eine Form von Sicherheit, die im klassischen Finanzmarkt selten zu finden ist.

Verantwortungseigentum in der Landwirtschaft: RegioWert

Besonders spannend ist die Anwendung in der Landwirtschaft. Mit der RegioWert Treuhand AG in St. Gallen entsteht ein Unternehmen in Verantwortungseigentum, das die Leistungen der Landwirtschaft sichtbar, messbar und finanzierbar macht.

Kerninstrument ist AgriMetrix, ein Mess- und Steuerungssystem mit rund 400 Indikatoren, das ökologische, soziale und regionalökonomische Leistungen von Betrieben erfasst. Die RegioWert Treuhand AG bündelt die Rechte an diesem System und stellt es vor allem landwirtschaftlichen Betrieben, Verwaltungen, dem Handel und weiteren relevanten Akteuren zur Verfügung. Damit entsteht eine gemeinsame Datengrundlage, die Leistungen sichtbar macht und Vergleichbarkeit schafft.

In den regionalen RegioWert AGs wiederum werden die Energien gebündelt. Sie verknüpfen Bürgerkapital, öffentliche Hand, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um Investitionen gezielt in resilienzstärkende Strukturen zu lenken. Die AGs sind damit die Orte, an denen Messung, Finanzierung und regionale Umsetzung zusammenkommen.

So entsteht ein Modell, das Landwirtschaft und Regionalökonomie neu verbindet. Bürgerkapital fliesst dorthin, wo es Resilienz stärkt. Investoren finden eine Anlageklasse, die nicht auf kurzfristigen Profit, sondern auf langfristige Stabilität setzt.

Weiterführende Informationen

Purpose International

Purpose Schweiz


Kai Isemann

Mein Wahrnehmen folgt einer unkonventionellen kognitiven Architektur, die Muster früh erkennt und Zwischenräume ernst nimmt. Dieser Blick hat mich viele Jahre durch die Welt der Grossfinanz getragen. Dort wurde er zum Brennglas und ich begriff, wo Geld entsteht, wie es sich bewegt und wen es zurücklässt. Eine Einsicht, zugleich präzise und schmerzhaft.

Heute verbinde ich dieses Begreifen mit der Arbeit im Lebendigen. Die Bewirtschaftung eines syntropischen Agroforsts gibt meinen Analysen und Projekten Boden. Die Triple Bottom Line Methodik hält sie im Gleichgewicht von Ökologie, Gesellschaft und Wirtschaft, damit Entwicklung dort entsteht, wo gesundes Leben sie trägt.


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