Palazzo Pedrazzini
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Details
2021
Vallemaggia
Campo (TI)
Entwicklung von permakulturellem Nutzungskonzept für den brachliegenden und historisch tief verankerten Palazzo Pedrazzini und die umliegende Landwirtschaft
Michele Branca
Rüdiger Eck
Elio Genazzi
Kai Isemann
Stephanie Rauer
Yvonne Zwiker

Der Palazzo Pedrazzini – Ein permakulturelles Nutzungskonzept für die Wiege der Schweizer Bankenwelt
Die Entwicklung eines permakulturellen Nutzungskonzepts für den seit vielen Jahren brachliegenden Palazzo Pedrazzini im alpinen Campo (Vallemaggia) und die umliegende Landwirtschaft stand im Zentrum dieses Projekts. Ziel war es, das Baudenkmal langfristig zu erhalten, einer zukunftsfähigen Nutzung zuzuführen und wirtschaftlich nachhaltig zu betreiben. Im Einklang mit den Prinzipien der Permakultur sollte ein Modell geschaffen werden, das den historischen, sozialen und ökologischen Wert des Ortes bewahrt und zugleich regionale Wertschöpfung generiert.
Ausgangslage
In der Schweiz gibt es über 75.000 unter Schutz stehende Baudenkmäler, von denen viele mit bedeutender Historie und traditionellem Handwerk verbunden sind. Dennoch bedrohen Zersiedelung und Verdichtung zunehmend den Erhalt dieser Gebäude. Unsere Auftraggeberin hat es sich zur Aufgabe gemacht, Baudenkmäler vor Spekulation zu schützen, innovative Nutzungskonzepte zu entwickeln und diese langfristig in enger Zusammenarbeit mit wertverwandten Partnern nachhaltig zu betreiben.
Lage
Der Palazzo Pedrazzini befindet sich in der Gemeinde Campo im Maggiatal (Vallemaggia), dem grössten Tal der italienischen Schweiz, auf einer Höhe von 1.314 m ü. M. und etwa 26 km nordwestlich von Locarno. Campo ist ein verträumter Ort mit etwa 50 Einwohnern, dessen Bevölkerung im 17. Jahrhundert noch rund 1.000 Menschen zählte. Die Umgebung zeichnet sich durch unberührte Natur, üppige Vegetation und die malerische Atmosphäre typischer Tessiner Dörfer aus.
Der Palazzo Pedrazzini, ein Ensemble von Gebäuden aus dem 13. Jahrhundert, ist eng mit der Geschichte der wohlhabenden Tessiner Familie Pedrazzini verbunden. Die Familie prägte nicht nur die regionale Geschichte, sondern auch die Bankenwelt der Schweiz entscheidend mit. Ihre Nachfahren sind weiterhin prominent in der Wirtschaft vertreten. Mauro Pedrazzini beispielsweise war viele Jahre lang Leiter der Hochschule St. Gallen (HSG). Das grösste der beiden Hauptgebäude, einschliesslich Nebengebäude wie Stalino und Rustico, soll von der Erbengemeinschaft übernommen, saniert und einer neuen Nutzung zugeführt werden.






Permakulturelles Nutzungskonzept
Das Projekt integriert die Prinzipien der Permakultur nach dem Curriculum von Bill Mollison als zentrales Element des Businessplans.
- Langfristige Nutzungsvereinbarungen mit lokalen Grundeigentümern für umliegendes Landwirtschaftsland.
- Aufbau von Gärten und landwirtschaftlichen Flächen nach permakulturellen Prinzipien.
- Verbindung von Kunst, Kultur, Geologie und Permakultur durch Bildungs- und Kulturveranstaltungen.
- Integration eines sanften (Agro-)Tourismus, um die regionale Wirtschaft zu stärken.
Ziele und Vision
Das Projekt verfolgt zwei miteinander verbundene Hauptziele:
1. Soziale und kulturelle Revitalisierung:
- Schaffung eines festen Wohnortes für Einzelpersonen und Familien.
- Förderung von sanftem Tourismus durch Gästeunterkünfte, Seminare und kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte und Theater.
- Zusammenarbeit mit der lokalen Gemeinschaft zur Integration und Belebung des Tals.
2. Selbstversorgung und Permakultur:
- Anbau von Gemüse, Obst, Beeren und Kräutern nach den Prinzipien der Permakultur.
- Gestaltung einer vielfältigen und nachhaltigen Gartenanlage.
- Aufbau natürlicher Kreisläufe, Kleintierhaltung und effizientes Wassermanagement.
- Nutzung der vorhandenen Ressourcen wie Trockenmauern, Wärmefallen und Regenwassernutzung.
Geographische und klimatische Rahmenbedingungen
Campo Vallemaggia liegt auf 1314 m ü. M. in einer abgeschiedenen, aber sonnigen Lage mit begrenzter landwirtschaftlicher Nutzungszeit. Die klimatischen Herausforderungen, wie kurze Vegetationsphasen, Frostgefahr und hohe Niederschläge, werden durch strategische Planung und den Einsatz von Permakultur-Prinzipien adressiert.
- Sonnenverlauf: Lange Sonnenscheindauer, besonders an der Südseite des Gebäudes.
- Wasser: Zugang zu einem angrenzenden Bach, einem Brunnen im Gebäude und der Möglichkeit zur Regenwassersammlung.
- Windschutz: Natürliche Barrieren wie Wälder und Mauern bieten Schutz vor starken Winden.
Konzept der Permakultur
Das Land rund um den Palazzo wird nach den Prinzipien der Permakultur gestaltet. Folgende Massnahmen sind vorgesehen:
- Nutzgarten: Gemüse- und Obstbau in terrassierten Bereichen mit optimaler Nutzung des Mikroklimas.
- Kleintierhaltung: Haltung von Hühnern, Enten und Hasen zur Bereicherung des Nährstoffkreislaufs.
- Bodenaufbau: Nutzung von Kompostwirtschaft, Hügelbeeten und Mulchsystemen.
- Gewächshäuser: Errichtung von geschützten Anbauflächen, um die Vegetationszeit zu verlängern.
- Nachhaltige Kreisläufe: Regenwassernutzung und Integration von natürlichen Wärmespeichern.
Stärken
- Historische Bausubstanz mit kulturellem Wert.
- Vorhandene Ressourcen wie Lagerkeller, Trockenmauern und Wasserquellen.
- Unterstützung durch lokale Akteure und Institutionen.
Herausforderungen
- Höhenlage mit kurzer Vegetationsperiode und Frostgefahr.
- Abgeschiedene Lage, die logistische und personelle Herausforderungen mit sich bringt.
- Notwendigkeit umfangreicher Sanierungsarbeiten und baulicher Anpassungen.
Potenzial und Synergien
Das Projekt hat das Potenzial, als Modell für nachhaltige Revitalisierung und Selbstversorgung in Höhenlagen zu dienen. Kooperationen mit lokalen Höfen wie dem Bio-Permakulturhof Munt la Reita, Hochschulen und der Stiftung Ferien im Baudenkmal eröffnen Möglichkeiten für Wissensaustausch, Bildungsprogramme und die gemeinsame Nutzung von Ressourcen.
Fazit
Das Projekt Palazzo Pedrazzini vereint Denkmalschutz, nachhaltige Landwirtschaft und soziales Engagement zu einer visionären Lösung für die Wiederbelebung des Vallemaggia. Die Umsetzung eines Permakultur-Konzepts in dieser Höhe bietet wertvolle Lernmöglichkeiten und könnte als Vorbild für ähnliche Vorhaben dienen. Die geplanten Massnahmen sind ein wichtiger Schritt zur Erhaltung von Kultur, Geschichte und Natur in einer der eindrucksvollsten Regionen der Schweiz.
Projektumfang
Das Sanierungskonzept sieht eine ganzjährige Nutzung des Gebäudes vor, mit etwa 30 Studios und Wohnungen für Personal und Gäste. Kooperationen mit Hochschulen (Seminare, Summer Schools) sowie Organisationen wie der Stiftung Ferien im Baudenkmal oder dem Tessiner Tourismusbüro sind wesentliche Bestandteile des Nutzungskonzepts.
Die Sanierung des gesamten Gebäudekomplexes wurde mit 16 Millionen Franken budgetiert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Wiederverwendung bestehender Materialien wie Steinen und Holz sowie der Restaurierung historischer Elemente wie Türen, Toren, Mobiliar und Wandmalereien, die mit gesamthaft 2 Millionen Franken subventioniert werden können.





Historische und kulturelle Bedeutung
Die Palazzi Pedrazzini sind ein bedeutendes Erbe der Tessiner Bau- und Familiengeschichte. Die Restaurierung und sinnvolle Nutzung der Gebäude trägt dazu bei, die historische Substanz zu bewahren und gleichzeitig die Region durch innovative Ansätze weiterzuentwickeln.
Zusammenarbeit und Perspektiven
Durch enge Kooperation mit lokalen Partnern wie dem Biohof Azienda Agricola & Agriturismo Munt la Reita sowie der Locanda Fior di Campo kann das Projekt gut in ein regionales Netzwerk eingebettet werden, das auf Nachhaltigkeit und kulturelle Vielfalt setzt. Mit dem Palazzo Pedrazzini als zentralem Element kann ein einzigartiges Modell für die Verbindung von Denkmalschutz, Permakultur und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit geschaffen werden.
Ergebnis
Nach eingehender Prüfung der Investitionsmöglichkeiten wurde entschieden, das Vorhaben aktuell nicht weiterzuverfolgen. Die Erkenntnisse aus der Konzeptentwicklung fliessen jedoch in künftige Projekte und stärken das Engagement für nachhaltige und sozialverträgliche Investitionen.
Ursprünglich aus der Finanzwelt kommend, begleite ich seit 2012 Menschen und Organisationen in sozial-ökologischer Transformation – besonders dort, wo Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohl scheinbar im Widerspruch stehen. Mein Fokus liegt auf der agrarökologischen Entwicklung und der Gestaltung nachhaltiger Wertschöpfungskreisläufe.
Ich arbeite strikt nach dem Triple Bottom Line Modell. 1) Ist es gut für die Umwelt? 2) Ist es gut für die Menschen? 3) Ist es wirtschaftlich tragfähig? Und zwar in dieser Reihenfolge!
Mit interdisziplinären Ansätzen vereine ich Ökonomie, Agrarökologie und Gesellschaft, um regenerative Lösungen für Landwirtschaft und Kapitalallokation zu entwickeln.