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Schlagwort: Klimawandel & Anpassungsstrategien

Warum lange Halme im Getreideanbau mehr als nur Nostalgie sind

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Warum lange Halme im Getreideanbau mehr als nur Nostalgie sind


Wer im Sommer durch die Landschaft streift und reifende Getreidefelder betrachtet, dem fällt eine Veränderung auf: Die Felder sehen nicht mehr aus wie vor 50 Jahren. Besonders ältere Menschen erinnern sich daran, wie hoch das Getreide damals wuchs – deutlich über einen Meter, oft sogar bis zu zwei Meter hoch. Heute hingegen stehen die Halme oft nur noch 25 bis 30 cm über dem Boden.


Diese Entwicklung ist das Ergebnis gezielter Pflanzenzüchtung: Durch kürzere Halme kann das Getreide mehr Düngemittel aufnehmen, wächst kompakter und ist weniger anfällig für das sogenannte „Lager“ – das Umknicken der Halme unter Wind oder Regen. Zudem erleichtert die geringere Höhe die maschinelle Ernte. Auf den ersten Blick scheinen all dies klare Vorteile zu sein.

Doch die Natur hat sich beim langen Halm durchaus etwas gedacht. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die ursprüngliche Wuchshöhe des Getreides viele agronomische Vorteile bietet, die in der modernen Landwirtschaft oft übersehen werden.

Schutz vor Pilzbefall und bessere Durchlüftung

Getreide mit langen Halmen ist weniger anfällig für Pilzkrankheiten. Der Grund dafür liegt in der besseren Luftzirkulation: Je höher die Ähre sitzt, desto weiter ist sie vom feuchten Boden entfernt, auf dem sich Schimmel- und Pilzsporen leicht vermehren. Studien zeigen, dass moderne, kurzhalmige Getreidesorten häufiger von Mehltau, Rostpilzen und Fusarium-Befall betroffen sind, da die dichte Pflanzung und die geringe Höhe das Mikroklima feucht und stickig halten (Köpke & Nemecek, 2010).

Ein Beispiel für robuste, hochwachsende Sorten ist der Huron-Weizen, dessen Halme bis zu 2,5 Meter erreichen können. Diese Pflanzen stehen stabil und weisen geringere Pilzbelastungen auf – ein klarer Vorteil, insbesondere in feuchten Anbaugebieten.

Bessere Wassernutzung und Dürretoleranz

Ein weiterer Vorteil langer Halme ist ihre überlegene Wasserregulierung. Dank tiefreichender Wurzelsysteme können diese Pflanzen Wasser aus tieferen Bodenschichten aufnehmen und effizient speichern. In Zeiten zunehmender Dürreperioden ist dies ein entscheidender Faktor für stabile Erträge.

Forschungen belegen, dass langhalmige Sorten in trockenen Jahren höhere Erträge erzielen als kurzhalmige – besonders in Regionen mit unregelmässigen Niederschlägen (Blum, 2011). Während moderne Sorten bei Wassermangel frühzeitig vertrocknen, bleiben hochwachsende Getreidearten wie Huron, Emmer, Einkorn oder andere alte Weizenarten länger vital.

Förderung der Bodenfruchtbarkeit durch Stroh und Wurzeln

Ein oft übersehener Faktor ist der Beitrag langer Halme zur Bodenfruchtbarkeit. Das zusätzliche Pflanzenmaterial sorgt für eine höhere organische Masse, die nach der Ernte in den Boden eingearbeitet werden kann. Dies fördert das Bodenleben, verbessert die Wasserhaltefähigkeit und trägt zum Humusaufbau bei – essenziell für die nachhaltige Landwirtschaft.

Ein gesunder Boden mit hohem Humusgehalt kann bis zu fünfmal mehr Wasser speichern als humusarmer Boden und bindet zudem CO₂ aus der Atmosphäre (Montgomery, 2017). Langhalmige Sorten leisten somit nicht nur einen Beitrag zur besseren Bodenstruktur, sondern auch zum Klimaschutz.

Genetische Vielfalt als Versicherung für die Zukunft

Die moderne Agrarindustrie hat sich auf wenige Hochleistungssorten konzentriert, die auf Ertrag und Resistenzen gegen bestimmte Krankheiten gezüchtet wurden. Das Problem: Diese genetische Verarmung macht unser Nahrungssystem anfälliger für neue Schädlinge oder Krankheiten, gegen die diese Hochleistungssorten keine Abwehrkräfte besitzen.

Der Anbau alter, genetisch vielfältiger Getreidesorten – wie sie beispielsweise von ursaat.ch angeboten werden – erhöht die Resilienz der Landwirtschaft. Die Mischung aus genetisch unterschiedlichen Pflanzen sorgt für eine natürliche Resistenz gegen Umweltstressoren und reduziert den Bedarf an chemischen Pflanzenschutzmitteln.

Geschmack und Nährstoffgehalt: Mehr als nur Ästhetik

Neben agronomischen Vorteilen bietet ursprüngliches Getreide oft höhere Gehalte an Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen als moderne Weizensorten. Untersuchungen zeigen, dass alte Getreidesorten wie Einkorn oder Emmer deutlich mehr Magnesium, Eisen, Zink und Antioxidantien enthalten als moderne, auf Ertrag optimierte Weizenarten (Serpen, 2008).

Zudem wird der Geschmack traditioneller Sorten oft als intensiver beschrieben. Wer einmal ein Brot aus Urweizen probiert hat, wird den Unterschied schmecken – das Aroma ist oft nussiger, erdiger und vollmundiger als das von standardisiertem Weizen.

Warum wir den langen Halm nicht vergessen sollten

Die Reduzierung der Halmlänge in der modernen Landwirtschaft wurde vor allem aus Effizienzgründen vorangetrieben. Doch die Forschung zeigt, dass der lange Halm nicht nur eine nostalgische Erinnerung an frühere Zeiten ist – er bietet handfeste ökologische, agronomische und ernährungsphysiologische Vorteile.

Für alle, die traditionelle, nährstoffreiche und nachhaltige Getreidesorten ausprobieren möchten, bietet ursaat.ch eine Auswahl an originalgetreuen Sorten – ein Stück landwirtschaftliche Geschichte für die Zukunft unserer Ernährung.


Kai Isemann

Mein Denken ist in der systemischen Finanzwelt gewachsen – tief analytisch, lösungsorientiert und geprägt von einem Verständnis für komplexe Zusammenhänge. Heute begleite ich Menschen, Organisationen und Regionen in Transformationsprozessen, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Strukturen in einen nachhaltigen Gleichklang bringen.

Eine grosse Freude an der Neurodiversität – an den unterschiedlichen Arten, die Welt zu denken und zu gestalten – fliesst ebenso in meine Arbeit, wie die Überzeugung, dass Vielfalt die Grundlage für Resilienz und Innovation ist. Weiterbildungen in permakultureller und syntropischer Landwirtschaft sowie die Bewirtschaftung eines eigenen Waldgartens ermöglichen es mir, agrarökologische Entwicklungen praxisnah zu gestalten und Theorie und Umsetzung sinnvoll zu verbinden.

Grundlage meines Handelns sind die Prinzipien der Triple Bottom Line: ökologisch tragfähig, sozial gerecht und wirtschaftlich tragend – mit dem Ziel, individuelle Entwicklung und gesellschaftliche Resilienz gleichermassen zu fördern.


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Weitere Impulse aus meinem Universum

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Moderne Getreidesorten ohne genetische Vielfalt – Ein Einheitsbrei der Lebensmittelindustrie

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Moderne Getreidesorten ohne genetische Vielfalt – Ein Einheitsbrei der Lebensmittelindustrie


Die moderne Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten einen bemerkenswerten Wandel durchlaufen. Durch die Fokussierung auf wenige ertragreiche Getreidesorten konnte die Produktivität erheblich gesteigert werden. Doch dieser Fortschritt hat auch eine Kehrseite: den Verlust genetischer Vielfalt.


Die Bedeutung der genetischen Vielfalt

Genetische Vielfalt ist essenziell für die Anpassungsfähigkeit von Pflanzen an wechselnde Umweltbedingungen. In der Vergangenheit nutzten Bauern eine breite Palette von Sorten, die an lokale Bedingungen angepasst waren. Diese Vielfalt bot Schutz vor Krankheiten, Schädlingen und Klimaschwankungen. Heute hingegen dominieren weltweit einige wenige Hochleistungssorten, die für maximale Erträge optimiert wurden – oft auf Kosten ihrer Widerstandsfähigkeit.

Die genetische Eintönigkeit moderner Sorten bedeutet, dass ein einziger Krankheitserreger oder Schädling ganze Ernten vernichten kann. Ein bekanntes historisches Beispiel ist die Grosse Hungersnot in Irland (1845–1852), die durch die Kartoffelfäule verursacht wurde. Weil fast ausschliesslich eine genetisch identische Kartoffelsorte angebaut wurde, konnte sich der Erreger ungehindert ausbreiten. Ein ähnliches Risiko besteht heute für viele unserer wichtigsten Getreidekulturen.

Die Abhängigkeit von wenigen Sorten – eine gefährliche Entwicklung

Moderne Weizen-, Mais- und Reissorten sind oft das Ergebnis intensiver Züchtung mit dem Ziel maximaler Erträge. Dies hat dazu geführt, dass die Anbaulandschaft von einigen wenigen, genetisch sehr ähnlichen Sorten dominiert wird. Beispielhaft zeigt sich dies beim Weizen: Im 20. Jahrhundert wurden durch die Grüne Revolution ertragreiche, kurzhalmige Weizensorten eingeführt, die sich weltweit durchsetzten. Diese Sorten sind jedoch stark abhängig von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden, da ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten geringer ist als die traditioneller Sorten.

Ein dramatisches Beispiel für die Folgen genetischer Verarmung ist die Geschichte der Banane: Die weltweit dominierende Sorte „Cavendish“ ist genetisch nahezu identisch. Bereits in den 1950er Jahren wurde ihre Vorgängersorte „Gros Michel“ durch eine Pilzkrankheit (Panama-Krankheit) fast vollständig ausgelöscht. Heute steht die Cavendish-Banane vor dem gleichen Schicksal, da ein neuer Pilzstamm auf dem Vormarsch ist. Ähnliche Szenarien drohen auch bei Getreide.

Wissenschaftliche Erkenntnisse: Genetische Vielfalt für die Zukunft der Landwirtschaft

Forschungsergebnisse zeigen, dass genetische Diversität nicht nur die Widerstandskraft von Pflanzen erhöht, sondern auch zur langfristigen Sicherung der Erträge beiträgt. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der „Landrassen-Weizen“, eine alte Weizensorte, die in vielen Regionen der Welt noch in kleineren Mengen angebaut wird. Studien zeigen, dass solche Sorten unter extremen Wetterbedingungen oft stabilere Erträge liefern als moderne Hochleistungssorten.

Wissenschaftler plädieren daher für eine Rückkehr zu diverseren Anbausystemen, die sowohl moderne als auch traditionelle Sorten umfassen. Die sogenannte „Mischkultur“ – also der Anbau mehrerer Sorten auf einem Feld – kann das Risiko von Ernteausfällen reduzieren. Zudem zeigen Untersuchungen, dass alte Getreidesorten oft höhere Gehalte an Mineralstoffen und Antioxidantien aufweisen, was sie auch aus ernährungsphysiologischer Sicht wertvoll macht.

Der vergessene Schatz alter Getreidesorten

In einem abgelegenen Tal im Himalaya wurde vor einigen Jahren eine uralte Gerstensorte entdeckt, die sich über Jahrhunderte kaum verändert hatte. Diese Sorte, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde, zeigte eine beeindruckende Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und extreme Witterungsbedingungen. Wissenschaftler entdeckten, dass sie genetische Merkmale besitzt, die modernen Gerstensorten fehlen – eine wertvolle Ressource für die zukünftige Züchtung.

Ein weiteres Beispiel ist der Einkornweizen, eine der ältesten kultivierten Getreidearten der Welt. Er wächst auch auf kargen Böden und unter trockenen Bedingungen, wo moderne Weizensorten längst versagen. Dennoch fristet er heute ein Nischendasein, obwohl er genetisch reichhaltig und ernährungsphysiologisch vorteilhaft ist.

Fazit: Ein Plädoyer für Vielfalt

Die Fokussierung auf wenige Hochleistungssorten hat die Produktivität gesteigert, doch sie birgt grosse Risiken. Der Verlust genetischer Vielfalt macht unser Ernährungssystem anfällig für Krankheiten, Schädlinge und den Klimawandel. Eine Rückbesinnung auf traditionelle Sorten und ein diversifizierter Anbau könnten dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft langfristig zu sichern.

Genetische Vielfalt ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Thema. Der Einheitsbrei der Lebensmittelindustrie mag effizient erscheinen – doch er könnte sich als tickende Zeitbombe erweisen. Die Lösung liegt in einer intelligenten Kombination aus traditionellem Wissen und moderner Wissenschaft. Siehe www.ursaat.ch.


Kai Isemann

Mein Denken ist in der systemischen Finanzwelt gewachsen – tief analytisch, lösungsorientiert und geprägt von einem Verständnis für komplexe Zusammenhänge. Heute begleite ich Menschen, Organisationen und Regionen in Transformationsprozessen, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Strukturen in einen nachhaltigen Gleichklang bringen.

Eine grosse Freude an der Neurodiversität – an den unterschiedlichen Arten, die Welt zu denken und zu gestalten – fliesst ebenso in meine Arbeit, wie die Überzeugung, dass Vielfalt die Grundlage für Resilienz und Innovation ist. Weiterbildungen in permakultureller und syntropischer Landwirtschaft sowie die Bewirtschaftung eines eigenen Waldgartens ermöglichen es mir, agrarökologische Entwicklungen praxisnah zu gestalten und Theorie und Umsetzung sinnvoll zu verbinden.

Grundlage meines Handelns sind die Prinzipien der Triple Bottom Line: ökologisch tragfähig, sozial gerecht und wirtschaftlich tragend – mit dem Ziel, individuelle Entwicklung und gesellschaftliche Resilienz gleichermassen zu fördern.


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Hanspeter Saxer – Ein kerniges Leben

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Hanspeter Saxer – Ein kerniges Leben


Vor etwa zwei Jahren habe ich den inzwischen 70-jährigen ehemaligen Demeter-Landwirt Hanspeter Saxer kennengelernt und begleite ihn seitdem bei der langfristigen Sicherstellung seines Schatzes von über 100 Urgetreide-Sorten und seines immensen Wissens.


Seit über 40 Jahren beschäftigt sich Hanspeter mit dem Erhalt und der Vermehrung von alten Getreidesorten. Aus Ehrfurcht der Schöpfung gegenüber hat er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Getreidevielfalt der Erde zu erhalten. In den vergangenen Jahren hatte Hanspeter über 100 verschiedene alte Sorten gesammelt und vermehrt. Sein Sortiment zeichnet Raritäten aus längst vergangenen Zeiten aus, welche eine äusserst ursprüngliche Genstruktur aufweisen, ohne jeglichen Eingriff eines Labors. Einige Sorten sind daher auch zum Verzehr für Menschen mit hochsensibler Verdauung geeignet.

Hanspeter’s Leidenschaft für das Korn, seine Narben aus einem ebenso kernigen wie robusten Leben, sowie sein unverwechselbarer Charme, sind definitiv unterstützenswert. Und mit grosser Freude helfe ich, Hanspeter’s Erbe in eine neue Generation und ihn zu mehr innerem Frieden zu begleiten.

Die jahrelange Passion und harte Arbeit, welche Hanspeter in die Vermehrung von längst vergessenen Sorten steckte und nach wie vor steckt, blieb bis heute praktisch unverdankt. Mit Kopfschütteln und einem stillen Lächeln wurde seine Arbeit bisher gerne reflektiert. Der traditionelle Anbau der Getreidesorten sei kaum ertragreich und zu wenig wirtschaftlich, hiess es oft. Das ändert sich inzwischen aus Gründen eines offenbar erweiterten Bewusstseins in der Landwirtschaft und beim Konsumenten, und Hanspeter’s Saatgut und die Produkte daraus sind zur gefragten Ware geworden.

In der Lebensmittelindustrie werden heute hybride Getreidesorten verarbeitet und ohne Deklaration weiterverkauft. Als Konsument würde ich gerne selbst bestimmen, ob ich genmanipuliertes Getreide konsumieren möchte oder nicht. Tatsächlich wollen das die meisten Menschen, die ich kenne. Mit Hanspeter an der Hand möchte ich daher seine alten Getreidesorten weiter schützen und vermehren helfen, sodass sie allen Menschen, die ein Urkorn zu schätzen wissen, auch den Zugang dazu bekommen.

Rückblick auf ein kerniges Leben

Franz Karl Rödelberger, ein schweizer Bauer und Lehrer an der Freien Landbauschule Goldenhof, hatte vor über 40 Jahren einen entscheidenden Einfluss auf das Leben von Hanspeter Saxer. Hanspeter besuchte diese biologisch-dynamische Landwirtschaftsschule im Südschwarzwald und wurde dort von Herrn Rödelberger in die Welt der alten Sorten eingeführt.

Der Goldenhof war kein gewöhnlicher Bauernhof. Statt moderner Maschinen und Hochleistungskühe fanden sich dort ausdauernde Norweger-Pferde und genügsame Hinterwälder-Kühe. Die täglichen Arbeiten wurden ohne den Einsatz von Maschinen erledigt. Stattdessen konnte man das Muhen der Kühe, das Schnauben der Pferde und das Summen der Bienen hören. Die Menschen arbeiteten fröhlich und sangen sogar trotz der oft schweren Arbeit. 

Herr Rödelberger war bekannt dafür, ein bisschen „verrückt“ zu sein, aber genau das war es, was ihn auszeichnete. In einer Welt, die sich immer mehr um Konsum drehte und den Blick für die Zusammenhänge verlor, war er ein leuchtendes Beispiel für den Vorwärtsdrang mit der Natur. Er lehrte Hanspeter, dass es wichtig ist, die Natur zu respektieren und zu verstehen, wie die Dinge produziert werden und woher sie kommen.

Die Liebe zu den alten Sorten begann für Hanspeter vor etwa 50 Jahren, als Herr Rödelberger ins Mattertal im Wallis fuhr, um einen bestimmten, begrannten Weizen zu finden, von dem ihm berichtet wurde. Der Bauer, der diesen Weizen angebaut hatte, hatte jedoch mit der Landwirtschaft aufgehört. Herr Rödelberger fand noch ein paar Körner dieses Weizens in einem alten Getreidespeicher. Er brachte sie zurück in den Südschwarzwald und vermehrte sie.

Diese paar Weizenkörner waren von der Sorte Huron, die in den Kriegsjahren in der Schweiz angebaut wurde und eine herausragende Backqualität hat. Hanspeter war tief berührt von dieser Sorte und bat Herrn Rödelberger um ein paar Ähren, um einen Kranz als Andenken zu machen. Obwohl Herr Rödelberger zunächst ablehnte, drückte er dem Protagonisten zum Abschied drei Ähren in die Hand. Diese Ähren wurden zu einem wichtigen Symbol der Dankbarkeit und Hingabe von Hanspeter in all den folgenden Jahren. 

Seitdem sind fast 40 Jahre vergangen, und Hanspeter hält immer noch an diesem Weizen fest. Er hat ihn nicht einmal umgetauft – er bleibt sein Huron. Doch warum wird dieser Weizen nicht mehr angebaut, obwohl er eine ausgezeichnete Backqualität hat? Die Antwort ist einfach: Er hat eine kleine Ähre und kleine Körner, was zu einem geringeren Ertrag führt. In Hanspeter’s Verständnis, und hier sind wir uns sehr einig, hat jeder Mensch es selbst in der Hand, Verantwortung zu übernehmen. Und es liegt in unserer Verantwortung, die Vielfalt des Getreides und die Biodiversität zu erhalten, sie mit unserem Leben zu schützen. 

Der passionierte Folkloretänzer hat im Laufe der Jahre nicht nur den Huron-Weizen bewahrt, sondern auf seinen langen Reisen durch die Welt auch viele andere Sorten von Getreide, Kartoffeln, Bohnen, Gemüse und Blumen gesammelt. Leider war der Hof, auf dem Hanspeter lebte, 2016 bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und ein Grossteil seiner Sammlung wurde zerstört. Doch Hanspeter gab nicht auf und versuchte mehrmals, wieder auf die Beine zu kommen.

Warum tut sich Hanspeter das an? Es ist eine Frage, die er in den 40 Jahren nie beantworten konnte und auch jetzt nicht kann. Er ist fest davon überzeugt, dass es der richtige Weg ist, um etwas zu bewirken. Es geht nicht um Geld oder Angst vor dem Verlust von Sorten. Es geht darum, Dankbarkeit für das tägliche Brot und die Schöpfung auszudrücken. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und etwas zu bewirken, egal wie klein es auch sein mag.


Kai Isemann

Mein Denken ist in der systemischen Finanzwelt gewachsen – tief analytisch, lösungsorientiert und geprägt von einem Verständnis für komplexe Zusammenhänge. Heute begleite ich Menschen, Organisationen und Regionen in Transformationsprozessen, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Strukturen in einen nachhaltigen Gleichklang bringen.

Eine grosse Freude an der Neurodiversität – an den unterschiedlichen Arten, die Welt zu denken und zu gestalten – fliesst ebenso in meine Arbeit, wie die Überzeugung, dass Vielfalt die Grundlage für Resilienz und Innovation ist. Weiterbildungen in permakultureller und syntropischer Landwirtschaft sowie die Bewirtschaftung eines eigenen Waldgartens ermöglichen es mir, agrarökologische Entwicklungen praxisnah zu gestalten und Theorie und Umsetzung sinnvoll zu verbinden.

Grundlage meines Handelns sind die Prinzipien der Triple Bottom Line: ökologisch tragfähig, sozial gerecht und wirtschaftlich tragend – mit dem Ziel, individuelle Entwicklung und gesellschaftliche Resilienz gleichermassen zu fördern.


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Von Kulturlandschaften, Wirtschaft und dem Verweben von Mensch und Natur

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Was ist Landschaft?

Was bedeutet eigentlich «Landschaft»? Samtige Wiesen vor kantigen Felsen? Knorrige Weinreben in hügeliger Umgebung? Blühende Auen neben einem glitzernden Fluss? Unsere Vorstellung von Landschaft ist oft geprägt von Ästhetik, von Schönheit und Harmonie. Doch Landschaft ist mehr als nur ein Bild – sie ist ein dynamisches System, ein lebendiger Organismus, der sich aus natürlichen und menschlichen Einflüssen formt.

Im Europäischen Landschaftsübereinkommen aus dem Jahr 2000 wird Landschaft folgendermassen definiert:

«Landschaft ist ein vom Menschen als solches wahrgenommenes Gebiet, dessen Charakter das Ergebnis der Wirkung und Wechselwirkung von natürlichen und/oder menschlichen Faktoren ist.»

Diese Definition zeigt: Landschaft ist nicht statisch, sondern das Ergebnis eines Zusammenspiels von Geologie, Klima, Vegetation, tierischem Leben und menschlicher Nutzung. Sie umfasst sowohl wilde, unberührte Gebiete als auch intensiv genutzte Agrarlandschaften oder urbane Räume.

Landschaft ist unsere unmittelbare Lebensgrundlage. Sie liefert uns Nahrung, Wasser, Baustoffe, Inspiration und Erholungsräume. Doch wie gehen wir mit ihr um? Welche Verantwortung tragen wir für die Art und Weise, wie wir sie nutzen und gestalten?

Was ist Wirtschaft?

Der Begriff «Wirtschaft» stammt vom althochdeutschen «werki», was so viel wie «schaffen» bedeutet. Wirtschaft ist die Art und Weise, wie wir Ressourcen nutzen, Güter und Dienstleistungen produzieren und verteilen. Ursprünglich war Wirtschaft eng mit Haushalten und regionalen Kreisläufen verknüpft – sie diente dazu, die Grundbedürfnisse der Menschen zu sichern.

Heute jedoch basiert unser Wirtschaftssystem vielfach auf der Maximierung von Gewinn, oft ohne Rücksicht auf ökologische oder soziale Folgen. Ein klassisches Beispiel ist die industrielle Landwirtschaft, die kurzfristige Erträge steigert, aber oft auf Kosten der Bodenfruchtbarkeit, der Biodiversität und des Klimas geht.

Was ist Landwirtschaft?

Seit über 10.000 Jahren gestaltet der Mensch seine Landschaft – zu einem grossen Teil durch Landwirtschaft. Sie ist die älteste und wohl prägendste Form wirtschaftlicher Tätigkeit. Landwirtschaft ist weit mehr als nur Nahrungsmittelproduktion: Sie ist Landschaftsgestaltung, Kulturerbe, Biodiversitätsmanagement und Klimapolitik in einem.

Doch das gegenwärtige Landwirtschaftsmodell zeigt seine Grenzen. Wir sehen die negativen Folgen: Bodenverlust, Wasserverschmutzung, Erosion, Rückgang der Artenvielfalt und eine hohe Abhängigkeit von fossilen Energien und chemischen Düngemitteln. Die Frage ist also nicht, ob wir Landwirtschaft brauchen – sondern wie wir sie gestalten müssen, damit sie langfristig unsere Lebensgrundlagen erhält statt sie zu zerstören.

Das Verweben von Landschaft, Wirtschaft und Landwirtschaft

Wir müssen unsere Beziehung zur Landschaft neu denken! Landwirtschaft muss nicht nur Nahrung produzieren, sondern auch Böden aufbauen, Wasser speichern, Lebensräume schaffen und CO₂ binden. Hier setzt das Konzept der Kulturlandschaften an: eine Landwirtschaft, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale und ökologische Werte schafft.

Wir brauchen eine Wirtschaft, die wieder eingebettet ist in natürliche Kreisläufe – eine Wirtschaft, die nicht nur finanziellen Profit misst, sondern auch ökologische Regeneration und soziale Teilhabe fördert.

Die 3BL-Methodik – ein ganzheitlicher Ansatz

Ein Modell, das all diese Aspekte verbindet, ist die Triple Bottom Line (3BL)-Methodik. Sie berücksichtigt nicht nur wirtschaftlichen Erfolg (Profit), sondern vorrangig ökologische Nachhaltigkeit (Planet) und soziale Gerechtigkeit (People).

Die Anwendung der 3BL-Methode in der Landwirtschaft bedeutet:

  • Planet: Ressourcen müssen so genutzt werden, dass sie sich regenerieren können – z. B. durch Humusaufbau, Diversifizierung von Anbausystemen oder wasserschonende Bewässerungsmethoden.

  • People: Landwirtschaft muss sozial inklusiv sein, faire Löhne sichern, Wissen weitergeben und Gemeinschaften stärken.

  • Profit: Landwirtschaft muss wirtschaftlich tragfähig sein, um Höfe langfristig zu erhalten.

Wenn wir Landschaft, Wirtschaft und Landwirtschaft wieder miteinander verweben, können wir Systeme schaffen, die für Mensch und Natur gleichermassen funktionieren.

Aus der Praxis

Ein beeindruckendes Beispiel für das Zusammenspiel von Landschaft, Landwirtschaft und Wirtschaft liefert das Syntropische Agroforstsystem von Ernst Götsch. Götsch hat in einer stark degradierten Landschaft durch regenerative Landwirtschaft einen üppigen, biodiverse Waldgarten geschaffen, der nicht nur hohe Erträge liefert, sondern auch Wasser speichert, CO₂ bindet und die Bodenfruchtbarkeit wiederherstellt. Seine Methode basiert auf der Erkenntnis, dass Landwirtschaft nicht zwangsläufig ein Nullsummenspiel sein muss – sie kann gleichzeitig Erträge erwirtschaften und ökologische Schäden rückgängig machen.

Die Landschaft der Zukunft

Die Vision von Kulturlandschaften ist der Ausgangspunkt eines neuen, zukunftsfähigen Verhältnisses zur Natur. Böden, Wasserkreisläufe, biologische Vielfalt und Produktion werden nicht getrennt betrachtet, sondern als ein ganzheitliches System verstanden. Die Kulturlandschaften der Zukunft sind:

  • Produktiv: Sie versorgen uns mit hochwertigen, gesunden Lebensmitteln.

  • Klimapositiv: Sie speichern CO₂ und stabilisieren das Klima.

  • Biodivers: Sie bieten Lebensräume für zahlreiche Arten.

  • Resilient: Sie trotzen Extremwetterereignissen und passen sich an Veränderungen an.

  • Ästhetisch: Sie inspirieren, erfreuen und bieten Erholungsräume für den Menschen.

Die sozialökologische Transformation

Die Herausforderung ist gross, aber es gibt bereits viele erprobte Ansätze für eine zukunftsfähige Landwirtschaft: Agrarökologie, Permakultur, Syntropische Landwirtschaft und Regenerative Landwirtschaft sind Methoden, die Produktion und Ökosystemregeneration in Einklang bringen.

Mein Ziel ist es, diese Praktiken zu verbinden und in das Bewusstsein von Landwirt:innen, Konsument:innen und anderen Akteuren zu rücken. Ich setze auf eine Symbiose von individuellem Handeln und dem Gesamtblick auf das Landwirtschafts- und Ernährungssystem.

Ich glaube daran, dass echte Veränderung nur möglich ist, wenn wir gemeinsam handeln. Kulturlandschaften müssen in die Mitte unserer Gesellschaft rücken – als Orte der Vielfalt, der Regeneration und der Zukunftsfähigkeit.

Bist du dabei?

Wenn dich diese Vision anspricht, lade ich dich ein, Teil dieser Bewegung zu werden. Teile deine Gedanken, vernetze dich mit Gleichgesinnten und lass uns gemeinsam neue Wege für eine lebenswerte Zukunft gestalten. Denn Kulturlandschaften sind nicht nur eine Idee – sie sind unser gemeinsames Erbe und unsere gemeinsame Zukunft.


Kai Isemann

Mein Denken ist in der systemischen Finanzwelt gewachsen – tief analytisch, lösungsorientiert und geprägt von einem Verständnis für komplexe Zusammenhänge. Heute begleite ich Menschen, Organisationen und Regionen in Transformationsprozessen, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Strukturen in einen nachhaltigen Gleichklang bringen.

Eine grosse Freude an der Neurodiversität – an den unterschiedlichen Arten, die Welt zu denken und zu gestalten – fliesst ebenso in meine Arbeit, wie die Überzeugung, dass Vielfalt die Grundlage für Resilienz und Innovation ist. Weiterbildungen in permakultureller und syntropischer Landwirtschaft sowie die Bewirtschaftung eines eigenen Waldgartens ermöglichen es mir, agrarökologische Entwicklungen praxisnah zu gestalten und Theorie und Umsetzung sinnvoll zu verbinden.

Grundlage meines Handelns sind die Prinzipien der Triple Bottom Line: ökologisch tragfähig, sozial gerecht und wirtschaftlich tragend – mit dem Ziel, individuelle Entwicklung und gesellschaftliche Resilienz gleichermassen zu fördern.


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